Archiv für das Tag 'Raposeira'

Praia da Ingrina, 11.11.2010

12. November 2010

Das Restaurant voll mit Herbsturlaubern und Einheimischen, jedoch ohne Warteschlangen wie im Sommer, eine schlanke Mutter mit ihren drei Unter-Sechsjährigen am Strand, ein Rentner im Wasser. Angler auf den Felszungen, Wohnmobilisten in Klappstühlen vor ihren Hymern. Die Sonne heiß, kein Wind, der Himmel blau mit stehenden dünnen Wolken, der Horizont wie eine sorgsam von der Tapete abgesetzte Fußleiste.

November I
Novemberstrand I

Ab und an ziehen sich Wolken vor die Sonne, dann wird es plötzlich kühl und das Licht grünlich und es fällt allen auf, dass nicht mehr Juli ist. Aber dann wandert der Schatten weiter, und man könnte es vergessen, steckte nicht nur ein Sonnenschirm im feuchten Sand und säße nicht im Wollpullover eine Frau rechts im Bild.

Das bin ich, und ich habe mich inzwischen dergestalt an das Leben hier angepasst, dass ich ab Oktober kleidungsmäßig auf der Hut bin – genau wie die Algarvios, die nichts so sehr fürchten wie einen bösen Zug.

November II
Novemberstrand II

Nebenan am Praia da Zavial ist Surfertreff: Deutsche, Engländer, Spanier, Portugiesen – schlanke Jungs in Neoprenanzügen mit Salzwasserlocken. Ein einziger ca. 60-jähriger Weißhaariger, den ich erst für einen Verirrten gehalten habe, aber dann verschwindet er kurz und taucht barfuß im Suit und mit dem Board unterm Arm wieder auf – auch ich bin längst von Klischeevorstellungen nicht frei.

Konversation:
„Was meinst du, machen wir uns rüber zum Baranco?“ (Das ist der 3. Strand den man von Raposeira aus ansteuern kann, allerdings muss man erst eine kilometerlange, für die Achsen sehr ungesunde, staubige Piste zurücklegen.)
„Später, lass uns erst noch in Sagres gucken!“

November-Detail
November-Detail

Hier hat man die Qual der Wahl. Draußen, jenseits der Brandung die Surfschüler: unruhige Robbenkinder, die auf einen höheren Wellengang warten.

Zikaden in Knoblauch – Erinnerungen an die Algarve

26. August 2010

Lange Jahre habe ich gedacht Zikaden sind Bäume, und selbst als ich erfuhr, dass das nicht der Fall ist, habe ich mich ewig nicht an dieses Wort als eine Bezeichnung für ein Insekt gewöhnen können. Zikade klingt viel größer, eigentlich noch nicht einmal wie ein Baum – ehr wie ein Gebäude – ein Hochhäus wäre am ehesten noch vorstellbar.

Aber so ist es ja nun nicht. Zikaden sind circa 1 cm lange Insekten, die hopsen und auch fliegen können und bevorzugt im Süden vorkommen – also auch in Portugal und hier an der warmen Algarve. Das besondere an ihnen ist, dass sie sich nur alle 13 oder 17 Jahre entlarven.  Sie kriechen dann aus ihren Schaumnestern unter der Erde an die Oberfläche, trocknen dort ihre Flügel, und los gehts in den kurzen Zikadensommer, in dem es gilt ein begattungswilliges Weibchen zu finden und diesem dann eine möglichst große Kinderschar zu hinterlassen.

Der Zikadengesang ist nämlich nichts anderes als ein Liebesruf – und zwar ein ohrenbetäubender – wenn von einer Gruppe tetesteronüberschäumender Männchen erzeugt. Als ‚Gesang‘ in dem Sinne kann man ihn auch gar nicht bezeichnen, finde ich. Es ist ein heller, mechanischer Sound – autonom, selbstbewusst, extrem laut – noch am ehesten zu vergleichen mit der ersten Generation an Dampfkochtöpfen, wenn alles fertig gekocht war und der Dampf laut zischend entwich.

Ich habe ja mal in Raposeirea gewohnt und dort neben einer Familie, die so ein Ding hatte. Inzwischen bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob sie wirklich an jedem heißen Sommertag damit hantierten, oder ob ich vielmehr den Zikadengesang damit verwechselte – irgendwie kann ich mir im Nachhinein gar nicht mehr vorstellen, dass sie sich wirklich derart einseitig ernährt haben sollten.

Zikaden sind für Menschen nicht gefährlich, wohl aber für manche Pflanzen, weil sie sich von ihrem Saft ernähren, den sie durch ihren Rüssel quasi wie durch einen Strohhalm einsaugen. Es gibt mehrere Arten und sie sehen auch verschieden aus. (Googeln Sie mal, wenn es Sie näher interessiert – dies ist ja eher ein Blog für schöne Ferienhäuser an der Algarve.) Gemeinsam ist ihnen aber allen, dass sie sehr gut schmecken.

Man sautiert sie in Petersilie und Butter oder röstet sie kurz in der Pfanne mit Knoblauch an. Und hier noch ein ganz besonderer Tipp: Vor Ort einfrieren und dann mit ins Flugzeug nehmen und später in Deutschland für ein Algarve-Urlaub-Erinnerungs-Festmahl verwenden – kann man sie auch.

Sobremesa

13. Oktober 2008

Der Pudding hinter der Glasvitrine in der Casa dos Pastos do Rodrigues in Raposeira schwitzt und schwitzt. Es geht ihm dreckig, das fällt jedem auf, der am Tisch sitzend, seitlich einen Einblick hat. Nur das Pächterehepaar hat keine Augen für das Elend seiner Eierspeise und bietet sie weiterhin für einen Euro fünfzig die Portion an.

„Bitte, bitte!“ betet der Pudding, Himmel hilf und lass sich jemand erbarmen! Gleich kipp ich zur Seite, ich kann nicht mehr!“ Aber Gott ist grad unterwegs und der Nachtischengel hat auch zu tun, und deshalb hört keiner das Flehen des geringsten Bruders, der nun langsam beginnt, in sich zusammen zu sacken. Ein kurzes Vibrieren, ein letztes Zucken, die Gelatine entspannt sich, platsch – nun kann man die ganze Sache beim besten Willen nicht mehr anbieten, höchstens als kalte Suppe mit einer Waffel drin.

Ich trink meinen Kaffe und seh im Augenwinkel Sr. Rodrigues draußen an den Sonnenschirmen fummeln. Ein kleines, kümmerliches Männlein, auf eine ungesunde Art mager und irgendwie ein bisschen zu grünlich blass.