Rogil II (Impression)

20. Juli 2009

On the road again: manchmal hör ich beim Gehen nur das Schlappen meiner Flip-Flops, sonst nichts. Der Verkehr um diese Tageszeit erfolgt stoßweise. Mal vier bis fünf Autos hintereinander, dann wieder einige Minuten nichts. Der Wind weht und zerwühlt die Gräser. Überall schüttere Zystrosenbüsche, die vom weiten harzig glänzen. Junge Pinien – hie und da der hoch aufragende Blütenstamm einer Agave – gelegentlich Zedern.

Die große Bauruine am Ortseingang erinnert aus der anderen Richtung kommend an ein Walgerippe. Die Gräten sind durcheinander geraten und teils gebrochen – große Fische sind nicht dafür geschaffen, ihr Leben in Staubwüsten zu beschließen.

Ein Sondertransporter. Irgendein undefinierbares Mähgerät, vorne und hinten von blinkenden Eskortfahrzeugen begleitet.

Ein verlassenes, überwuchertes Fußballfeld rechts, dessen Tornetze der Wind zerfetzt.

Wolkenschatten, die großflächig die Straße überqueren.

Und da vorne der Friedhof. Ein weißes Marmorfeld, durchsetzt von einigen schwarzen Granitgräbern unter blauem Himmel, übersäht mit den farbigsten Blumensträußen – unechte Blumen, da ist der Portugiese pragmatisch, behalten ihre Form selbst im heftigsten Küstensturm – und steinerne Gräber muss man nicht pflegen. Die Kapelle, in der auch die Toten aufgebahrt werden, hat ein langes, tiefgezogenes Dach, das Kreuz an der Seite nur aufgemalt und an der Südseite ein einziges Fenster.

(Agostino Antonio)
„Eterna saudade de sua esposa, filhos, noras e netos.“

(Querida Irmã)
“Com muita dor te recordo sempre, e por mim nunca és esquecida“

(Felipa Américo de Jesus)
„Uma lágrima uma flor
é só que te posso dar
até que a minha alma
à tua se vá juntar.“

(Siggi, Feb. 2005)
„Nur die besten sterben jung.“

Es gibt auch Gräber ohne Namen, die sich nur durch ein verwittertes Blechschild mit einer Nummer drauf, voneinander unterscheiden.

Ich geh wieder – aus dem Friedhofstor hinaus, die Landstraße entlang. Links ein verlassener Hof mit einem verrotteten Trecker davor. Dahinter ein lackstumpfer, roter Renault ohne Räder, meckernde Hühnervögel, wucherndes Grün. Auf der Wiese ein Storchennest auf einem Stromüberlandpfosten.

Papa Storch steht am Rande der unordentlichen Behausung und blickt über die Ebene. Dabei kräht er ein bisschen. Als ich hochsehe, erhebt er sich flügelschwingend, legt sich in den Wind und segelt über die Straße auf den sandigen Stoppelacker gegenüber. Dort stelzt er herum, guckt auf die vorbeirasenden Autos – nun aus der Bodenperspektive – fliegt flach ein bisschen weiter, dahin, wo es grüner wird. Steht dumm da. Ich glaube, er wartet nur darauf, dass ich weitergehe, meine Anwesenheit ist ihm nicht geheuer.

Aber ich bleibe noch und setz mich an den Straßenrand, und schreib alles auf.

Kommentarfunktion ist deaktiviert.